Das unsichtbare Gepäck: Vorurteile gegen Heimkinder in der Jugendhilfe

31.01.2025

Am 31. Januar 2025 war der Landesheimrat (LHR) auch in diesem Jahr beim Neujahrsbrunch des Landesverbands katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen in Bayern e. V. (LVkE) dabei. Das Thema: "Wir sprechen mit..." – Diskriminierung in der Jugendhilfe. Zu Gast waren wir im Erziehungshilfezentrum Adelgundenheim. Eingeladen waren junge Menschen und Fachkräfte der Jugendhilfe.

Wir, die Mitglieder des LHR, haben einen Impuls gegeben und über das "unsichtbare Gepäck" gesprochen – die Vorurteile, die junge Menschen in der Jugendhilfe immer wieder erleben.

Vorurteile sammeln – das Ergebnis schockiert

Zu Beginn haben wir alle teilnehmenden jungen Menschen und Fachkräfte gebeten, aufzuschreiben, welche Vorurteile sie selbst schon einmal über Heimkinder gehört oder mitbekommen haben. 52 Zettel landeten in unserem "unsichtbaren Gepäck" – symbolisiert durch einen alten Rucksack. Gemeinsam haben wir hineingeschaut.

Das am häufigsten genannte Vorurteil: "Heimkinder haben keine Eltern." Zehn Mal stand dieser Satz auf den Zetteln. Ein weiteres hartnäckiges Vorurteil, das sieben Mal genannt wurde: "Deine Eltern wollen dich nicht!"

 

Wohngruppe oder Gefängnis?

Was denken Außenstehende, wenn sie an junge Menschen in Wohngruppen oder Einrichtungen der Jugendhilfe denken? Offenbar nicht an ein Zuhause auf Zeit, sondern an eine Art Gefängnis: große Schlafsäle ohne Privatsphäre, strenge Regeln, kaum Freiheiten. Die Vorstellung geht sogar so weit, dass einige glauben, Jugendhilfeeinrichtungen seien nur für gewalttätige, drogenabhängige oder kriminelle junge Menschen. Dass dort vor allem ungepflegte und arme Kinder leben, die sich nicht benehmen können. Diese Bilder halten sich hartnäckig in den Köpfen vieler Menschen und tragen dazu bei, dass junge Menschen in der Jugendhilfe immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert werden.

 

Vorurteile über den Charakter von jungen Menschen in der Jugendhilfe

Neben den Vorurteilen zu Wohnort und Familienverhältnissen gibt es auch viele falsche Annahmen über die Persönlichkeitsmerkmale und das Verhalten der jungen Menschen in der Jugendhilfe. Hier einige Beispiele:

Junge Menschen in der Jugendhilfe sind angeblich:

  • faul
  • dumm
  • gewalttätig
  • schwer erziehbar
  • kriminell
  • drogenabhängig
  • asozial
  • arm

Diese Sammlung hat uns schockiert und traurig gemacht – aber überrascht hat sie uns nicht. Denn wir erleben diese Vorurteile immer wieder.

 

Und jetzt? Was tun?

Wie begegnen wir diesen Vorurteilen? Wichtig ist: Es braucht mehr Aufklärung! Es kann nicht unsere Aufgabe als junge Menschen sein, diese Vorurteile einfach auszuhalten. Wir geben diese Verantwortung an euch Erwachsene zurück.

  • Erklärt, was Jugendhilfe bedeutet! Erzählt, warum manche junge Menschen in Wohngruppen leben und wie unser Alltag aussieht.
  • Schützt uns vor Vorurteilen! Setzt euch dafür ein, dass über uns nicht abwertend gesprochen wird.
  • Achtet unsere Privatsphäre! Entfernt Logosticker von den Autos der Einrichtungen. Niemand will von einem Auto mit der Aufschrift "Jugendhilfe" von der Schule abgeholt werden.

Wir fordern alle auf: Helft uns, diese Vorurteile abzubauen. Sprecht darüber. Mischt euch ein. Und behandelt uns so, wie ihr selbst behandelt werden wollt: mit Respekt.

 

Zu sehen sind die zwei LHR Mitglieder Caro und Justin. Sie halten die Zettel in der hand, die sie an alle Teilnehmenden verteilen, auf denen ausgefüllt werden soll, welche Vorurteile man in der Jugendhilfe bereits erlebt hat.
Zu sehen ist ein Gruppenfoto von allen Ehrengästen der Veranstaltung.
Zu sehen sind Caro (LHR Mitglied) und Frau Rauscher Mitglied des Bayerischen Landtags, die gemeinsam vor einer weißen Flipchart stehen.
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Das unsichtbare Gepäck: Stimmen aus dem Rucksack

Mir wurde schon oft bei Vorstellungsgesprächen abgesagt, aufgrund meines Wohnheims.

Du hast dann bestimmt keine Eltern mehr, oder?

Sind da wo du bist nicht nur Lesben, Emos und Asoziale?

Heimkinder bekommen höchstens den Mittelschulabschluss.

Im Heim geht´s bestimmt richtig streng zu, so mit Gittern vor den Fenstern und so.

Aussehen, Herkunft, Leben in einer Wohngruppe - die Leute denken, dass man aggressiv ist.

Die sind alle chaotisch und haben psyschiche Probleme.

Du bist ein Heimkind - Du bist selbst schuld, dass die Situation so ist.

Leute in der Jugendhilfe sind Menschen, die ihr Leben nicht in den Griff bekommen.

Hautfarbe, Herkunft - Vorurteile, wenn man anders ist (ADHS, Autismus, Behinderung).

Kinder im Heim sind arm, husten und sind dauernd krank.

Das Heimkinder keine Eltern haben oder allgemein komisch sind.

Du wirst beleidigt, weil du Heimkind bist. Weil du dir keine Klamotten leisten kannst.

Ach, das arme Heimkind!

Nie Geld, keine Eltern, klauen nur, keine Freunde, gehen nicht duschen.